Zwift oder Sufferfest?

Crema Doma Pain Cave

Der Winter ist da. Zeit für Indoor-Training. Ende des letzten Jahres habe ich mir einen Wahoo KICKR Core Smarttrainer angeschafft und bin seitdem sehr zufrieden damit. Wie bereits in mehreren Beiträgen beschrieben, habe ich den kompletten letzten Winter mit zunehmender Begeisterung damit trainiert. Das liegt zum einen an der simplen Bedienung des KICKR, zum größeren Teil an der entsprechenden Trainings-App. Im Bereich der Trainings-Apps gibt es ein immer größer werdendes Angebot. Die bekanntesten sind Zwift und Sufferfest. Ist es egal, welche ich verwende, und gibt es zwischen den beiden Wettbewerbern große Unterschiede? Diese Fragen habe ich mir auch gestellt und versuche, sie im Folgenden zu beantworten.

Sufferfest

In der Vergangenheit habe ich ausschließlich die Sufferfest-App verwendet. Die Kopplung zwischen iPad und Wahoo KICKR hat auf Anhieb funktioniert. Der erste Monat war ein Probemonat, in dem ich die App in vollem Umfang nutzen konnte. Der Hauptgrund, warum ich vergangenes Jahr Sufferfest verwendet habe, war der, dass ich die einzelnen Trainingseinheiten offline verwenden kann. D.h. ich kann sie mir runterladen und ohne Internetverbindung nutzen. Meinen Smarttrainer hatte ich im Keller außerhalb der Wohnung stehen und dort keinen Internetempfang.

In der Nutzeroberfläche habe ich mich schnell zurechtgefunden. Der Aufbau ist klar und verständlich. Die Trainingseinheiten kann man sich als einzelne Videos mit bestimmten Trainingsinhalten vorstellen. Die Videos sind in eine in sich geschlossene Story eingebettet und zeigen Sequenzen von unterschiedlichen Radrennen oder von anderen Radvideos (z.B. Col Collective, GCN). Dazu werden immer Kommentare und Infos eingeblendet, die zum Teil sehr witzig gemacht sind. Ein paarmal musste ich tatsächlich herzhaft lachen. Die Dauer der Einheiten reicht von 20 Minuten bis ca. drei Stunden. Die meisten haben eine Länge von knapp einer Stunde.

Eine Besonderheit bei Sufferfest ist die, dass die Trainingssteuerung nicht ausschließlich über den Leistungswert FTP erfolgt (Functional Threshold Power, also die Leistung in Watt, die man über einen Zeitraum von einer Stunde konstant aufrechterhalten kann). Es werden zusätzlich drei weitere Werte herangezogen: Neuromuscular Power (5 Sekunden Maximalleistung), Anaerobic Power (1 Minute Maximalleistung) und Maximal Aerobic Power (5 Minuten Maximalleistung). Diese Werte werden in einem einstündigen 4 DP Test (4 Dimensional Power) ermittelt. Der tut weh. Das Resultat dient als Basis für die Steuerung der weiteren Trainingseinheiten.

Im Rahmen der Saisonvorbereitung 2020 habe ich einen 12-wöchigen Trainingsplan absolviert. Anfangs habe ich mich sehr gewundert, da die Einheiten zu leicht waren. Im Zuge dessen hatte ich einen Austausch mit dem Sufferfest Support, der mir die Logik dahinter erklärte: immer langsam, wird schon noch anstrengender. Und so war es auch. Der Support hat zudem superschnell und persönlich reagiert. So stelle ich mir das vor. Der Plan selbst war abwechslungsreich und ließ sich flexibel anpassen, wenn z.B. Trainingseinheiten verschoben werden mussten.

Sufferfest Training-App
Sufferfest Training-App

Zwift

Mit Zwift habe ich bisher nicht so umfangreiche Erfahrungen sammeln können. Dachte bis dato, dass ich mit Sufferfest allein gut zurechtkomme. Fast mein kompletter Fahrrad-Bekanntenkreis fährt auf Zwift. Nachdem ich nun einen neuen Platz für meinen Smarttrainer gefunden habe, habe ich dort auch eine stabile Internetverbindung. Daher steht einer Zwift-Nutzung nichts mehr im Wege.

Die Kopplung zwischen iPad und Wahoo KICKR hat auch hier sofort funktioniert. Ich muss zugeben, dass mich die Benutzeroberfläche in Zwift abschreckt. Es gibt unzählige Funktionalitäten. Die Nutzung dieser Funktionalitäten erschließt sich mir nicht immer sofort. Je mehr man fährt und je mehr Herausforderungen man meistert, desto mehr Erfahrungspunkte bekommt man und desto schneller erreicht man ein neues Level. Sukzessive werden dann neue Ausrüstungsgegenstände freigeschaltet, die man in seiner sog. Garage für seinen Avatar nutzen kann. Zudem kann man sich über die Erfahrungspunkte Räder und Laufräder bekannter Marken kaufen. In die Garage kommt man aber erst über das Menü, wenn man eine Fahrt startet. Naiverweise würde ich erwarten, dass ich das Menü, das mich zu meiner Garage bringt, auch nutzen kann, wenn ich NICHT fahre. Ist aber nicht so. Derartige Beispiele gibt es einige. Wenn man erst einmal in Zwift drin ist, wird das nicht weiter tragisch sein. Für die initiale User Experience finde ich es jedoch störend. Die Komplexität wird weiter erhöht, indem es neben der eigentlichen Zwift-App ergänzend eine Zwift-Companion-App gibt. Die Companion-App ist sozusagen die Community-App à la Strava. Dort kann man sich zu gemeinsamen Fahrten (Meetups) verabreden, Mitfahrern (Followern) folgen und RideOns für Zwift-Fahrten verteilen – die Kudos bzw. Likes in der Zwift-Welt.

Zwift Companion App
Zwift Companion App

Als total super hingegen empfinde ich das Fahrgefühl. Es ist sehr natürlich und klar spürbar, wenn es hoch oder runter geht oder man im Windschatten fährt. Die Landschaften sind schön designed und weitestgehend sehr abwechslungsreich. Man kann zwischen verschiedenen Welten wählen, die wiederum eine Vielzahl an Strecken bereithalten. Diese kann man komplett fahren oder man wählt sich einfach eine Strecke aus und fährt frei für sich dahin. Dadurch, dass immer unzählige weitere sog. Zwifter unterwegs sind, ist es allerdings mit dem frei für sich dahinfahren nicht sehr weit her. Zu schnell lasse ich mich von den z.T. sportlichen Geschwindigkeiten der Mitradler anstecken. Seitens Zwift wird man auch immer angespornt, die Lücke zum Vor-Zwifter zu schließen – dafür gibt es extra Erfahrungspunkte.

Ein Alleinstellungsmerkmal von Zwift sind die Gruppenfahrten, die sog. Meetups. Ein Meetup mit Followern wird über die Companion-App organisiert. Entweder von einem selbst, indem man die Strecke wählt und Follower einlädt, oder von Zwift-Freunden, denen man folgt, und von denen man zu einem Meetup eingeladen wird. Während eines Meetups ist die Gruppe weitestgehend allein auf der ausgewählten Strecke unterwegs und kann z.B. über die Companion-App miteinander chatten – wenn man das Smartphone mit schweißnassen Fingern überhaupt noch bedienen kann. Die eigentliche Teilnahme an einem Meetup in der Zwift-App selbst ist wieder wenig intuitiv: auf dem Startbildschirm wird der Meetup angezeigt und man tippt auf „teilnehmen“. Ich hätte erwartet, dass ich dann zum Meetup weitergeleitet werde. Allerdings muss man erst auf „Fahren“ klicken, kommt dann auf irgendeine Strecke, und wenn das Meetup losgeht, wechselt man automatisch zur Meetup-Strecke. Wenn man’s weiß, ist es einfach.

Zwift Meetup
Zwift Meetup

Es gibt zudem einige strukturierte Trainingspläne für verschiedene Fitnesslevel und mit verschiedenen Ausrichtungen, z.B. FTP Builder, Gravel-Pläne, Basis-Pläne, etc. Auch wenn die Auswahl groß ist, so richtig sprechen mich die Pläne nicht an.

Was nun?

Ich will nicht sagen, dass ich hier Äpfel mit Birnen vergleiche, dennoch sind Sufferfest und Zwift grundverschieden. Die Nutzeroberfläche finde ich bei Sufferfest viel klarer, schlanker und intuitiver. Allerdings gibt es in Zwift viel mehr Funktionen, die m. E. jedoch zulasten der Nutzerführung gehen.

Abwechslungsreicher in Bezug auf Strecken und Trainingseinheiten finde ich Zwift. Das ist letztendlich ein für mich entscheidender Grund, mir eine Alternative zu Sufferfest zu suchen. Dort hat man irgendwann alles gesehen. Sufferfest selbst empfinde ich als seriöser. Ich denke, für meine persönliche Trainingsgestaltung spricht mich die Klarheit und Struktur mehr an. Der bis hierhin aufmerksame Leser merkt: so richtig entscheiden kann und will ich mich nicht. Dadurch, dass beide Apps ihre Reize haben, werde ich in Zukunft auch beide nutzen. Sufferfest für strukturierte Trainingseinheiten und Zwift für freies Fahren und virtuelle Treffen mit Freunden. Ein wichtiger Grund in Zeiten wie diesen.

Schreibe einen Kommentar